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Man lebt immer etwas von der Hoffnung

Von Jürgen T. Widmer

ULM - Es ist eine Art "Oscar" für die Trainerzunft im Lande. Alljährlich ernennt der Landessportverband Württemberg die "Trainer des Jahres". In Ulm wurde die Jury gleich doppelt fündig. Tatjana Postrigan (TSG Söflingen) und Christian Viedt (Ulmer Ruderclub Donau) treten in die Fußstapfen von Wolfgang Beck (SSV Ulm 46). Für Ruder-Trainer Viedt ist die Auszeichnung mehr als nur eine Urkunde, die man sich irgendwo hinhängen kann.

Nein, das sind keine Bedingungen für Duschgel-Vorwärmer. Die Temperatur klappert am Gefrierpunkt, von der wieder einmal grauen, statt blauen, Donau zieht eine nass-klamme Kälte Richtung Bootshaus. Es gibt Tage, da werden selbst beinharte Outdoor-Freaks ein wenig neidisch auf Hallensportler. Christian Viedt kann mit der Kälte nur eines tun: ignorieren. "Von null Grad an kann gerudert werden. Wenn ein Athlet aufs Wasser hinaus will, dann bin ich dabei." Brrr.

Frieren gilt nicht, Jammern ist verpönt. Schließlich werden die Erfolge des Sommers im Winter gemacht. "Wir trainieren im Winter genauso viel wie im Sommer. Die enorme Leistungsdichte lässt es einfach nicht mehr zu, dass wir in der kalten Jahreszeit kürzer treten", sagt Viedt. Vermutlich braucht es diese Einstellung, damit Erfolge, wie sie der URCD seit Jahren feiert, überhaupt möglich werden. Carolin Leibinger, Rainer Hörmann Junior, Urs Käufer, Daniel Held oder auch Karin Maier: In diversen Booten gehören sie in ihrer Altersstufe zur deutschen und damit vielfach auch zur internationalen Elite.

"Erfolgreiche Ruderer brauchen eine langfristig angelegte Motivation", sagt Viedt. Klar, wer bei Eiseskälte auf dem Wasser sitzt, der muss wissen, wofür er sich schindet. Das verlangt eine gewisse Härte gegen sich selbst, aber auch Intelligenz. "Natürlich sind die körperlichen Voraussetzungen das Wichtigste", sagt Viedt, aber nicht nur diese muss er seinen Athleten vermitteln. Kondition, Konzentration, Athletik. Rudern ist ein vielschichtiger Sport. Deshalb sind Rudertrainer als Tüftler bekannt. Das färbt auch aufs Private ab. "Man lebt schon ein bisschen in einer eigenen Welt", so der gelernte Energie-Anlagen-Elektroniker. Die Nachmittage auf dem Wasser, die Arbeit im kleinen URCD-Büro, wo er über Trainingsplänen brütet, sorgen für eine Art Käseglocke.

Förderung des Nachwuchses

Eine Käseglocke in der die Erfolge des URCD gedeihen. Seit 1993 ist Viedt bereits in Ulm, vorher lebte er in der Nähe von Lüneburg, wo er bereits sieben Jahre als ehrenamtlicher Trainer tätig war. "Eigentlich bin ich Trainer geworden, weil ich dem Nachwuchs eine bessere Förderung geben wollte", erinnnert er sich. Als Aktiver hatte er es zwar zu Deutschen Jugend-Meisterschaften geschafft, dennoch blieb das Gefühl, mit einer noch ausgeklügelteren Betreuung wäre mehr möglich gewesen. Also puzzelt der 35-Jährige an Trainingsplänen, versucht mit den bescheidenen Mitteln des URCD ein Optimum zu erreichen.

So ist der Kraftraum viel zu klein, der Trainerstab zu bescheiden. Deshalb können längst nicht alle Kinder, die rudern wollen, dies auch in Ulm lernen. "Da kämen wir selbst gewaltig ins Rudern." Denn gerade die Anfängerausbildung ist extrem zeitintensiv. "Da darf man nicht schludern, sonst bringt das nichts", sagt er. Jammern will er nicht. "Man muss immer mit dem auskommen, was da ist", sagt Viedt. Und freut sich, "dass zum Beispiel die Ausstattung mit Booten sehr gut ist." Immer das Positive sehen. Auch dies ist ein wichtiger Faktor in der Erfolgs-Philosophie des Christian V. Und wenn es mal nicht läuft? "Man lebt immer ein wenig von der Hoffnung", kontert er.

Neben dem Positiven sieht Viedt in erster Linie das Machbare. So dämpft er die Erwartungen an seine jungen Sportler für dieses Jahr: "2003 wird ein Übergangsjahr, weil fast alle eine Altersstufe höher gerückt sind." 2004 hofft er wieder auf internationale Meriten. Der eine oder andere Athlet sollte bei der U23-WM auftauchen.

Am Freitag wird er in Ludwigsburg geehrt. Neben einem kalten Büffet und einem warmen Händedruck gibt es für ihn und Tatjana Postrigan auch Geld: bis zu 1500 Euro. Doch auch ohne das Geld würde ihm wohl ein wenig warm ums Herz werden. Denn die Auszeichnung ist mehr als nur der Ausgleich für die kalten Tage auf der Donau: "Es ist die Anerkennung der eigenen Leistung über die Grenzen der jeweiligen Sportart hinaus", sagt Viedt.

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